Willi Ostermann- sein Leben und Schaffen

CD 3 - Ein außergewöhliches Erlebnis

Auch diese CD ist außergewöhnlich -

Das Salonorchester der Jungen Philharmonie Köln sterllte sich der Aufgabe, die Ostermann-Melodien im "Original der 30er Jahre" zu spielen. Und die Mitglieder des Kölner Hänneschen-Theaters fungierten in vertrauter Kulisse mit einem "rollenden Tonstudio" als Interpreten.

Es gibt Lieder, die sind so tief im Brauchtum einer Region verwurzelt, dass man sie mit Recht als „Volkslieder“ bezeichnen kann. Für Köln und das kölsche Brauchtum muss an erster Stelle der Name Willi Ostermann genannt werden.
Ein „Volkslied“ zeichnet sich ja unter anderem dadurch aus, dass die Autoren, also Komponisten und Textdichter, in Vergessenheit geraten sind. Ganz anders liegt der Fall bei Willi Ostermann. Seine Name und seine Melodien sind in Köln allgegenwärtig, ein Stück Kölner Geschichte. Willi Ostermanns Musik, besonders die Werke aus seiner „großen Zeit“ zwischen 1925 und 1932, sind im Verlauf der Jahrzehnte vielen Einflüssen und willkürlichen Veränderungen ausgesetzt gewesen. Sie wurden dem jeweiligen musikalischen Zeitgeschmack angepasst, neu instrumentiert, „verschlagert“ und „verpopt“ und dabei nicht selten bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Die Zeiten ändern sich ebenso wie die Hörgewohnheiten, an die Stelle eines differenzierten Vortrages tritt nicht selten eine Aufführungspraxis, die man auch als „akustische Kraftmeierei“ bezeichnen könnte, weil sämtliche Effekte über Lautstärke und überhöhte Phonzahlen erzielt werden.

 

Original-Noten in alle Winde verstreut

Wie hat sich Willi Ostermann aber selbst gesehen und gehört, wie sollten seine Werke aufgeführt sein? Auf den alten, oftmals stark verrauschten alten Schellackplatten mit seiner Stimme ist das noch zu hören. Wenn man sich diese historischen Aufnahmen heute anhört, fragt man sich unwillkürlich: „Warum hat das später niemand mehr so gemacht?“ Zu hören ist in jedem Fall eine klassische so genannte „Salon“- oder „Jazzorchester-Besetzung“ bestehend aus 16 bis 20 Musikern mit einer kleine Streichergruppe, Trompeten und Posaunen, Klavier, Saxophonen, Klarinetten, einem dezent eingesetzten Schlagzeug, sowie Banjo und Susaphon. Diese beiden letztgenannten, aus der amerikanischen Jazzmusik stammenden Instrumente, waren in der europäischen Tanz- und Unterhaltungsmusik der 20er und 30er Jahre stilprägend. In Deutschland verschwanden sie in der zweiten Hälfte der 30er Jahre, da die Nationalsozialisten alle als „undeutsch“ geltenden Jazzelemente aus der Unterhaltungsmusik verbannen wollten. Banjo und Susaphon wurden durch Gitarre und Tuba ersetzt, und so begann die „schleichende Veränderung“ des ursprünglich vom Komponisten und seinen Arrangeuren konzipierten Klangbildes. Dies hatte zur Folge, dass auch das ursprünglich geschriebene und gedruckte Notenmaterial wertlos wurde, weil es plötzlich nicht mehr spielbar war. Neue Arrangements mussten hergestellt werden, die sich noch weiter vom Original entfernten, und so verschwand der alte, originalgetreue „Ostermann-Klang“ am Ende vollständig. Das Notenmaterial, die einzelnen Orchesterstimmen wurden - plötzlich Makulatur geworden - in alle Winde zerstreut.

Sensationeller Fund

Umso sensationeller war der Fund in der von Reinold Louis zusammengetragenen musikalischen Sammlung der Kreissparkasse Köln, die Notenmaterial aus den 20er und 30er Jahren enthält. Bei genauerer Durchsicht konnte man feststellen, dass die alten Salon- und Tanzorchesterausgaben der Lieder von Willi Ostermann in vielen Fällen vollständig waren und nur in einigen wenigen Fällen kleine Lücken aufwiesen, die man aber leicht rekonstruieren konnte. Ein einzigartiger Glückfall, der wieder zum Klingen gebracht werden wollte. Der Dirigent Volker Hartung und die Musiker des Salonorchesters der Jungen Philharmonie Köln haben sich dieser Aufgabe gestellt. Sie vertieften sich in die Spielweise und Klangästhetik von Willi Ostermann und seiner Zeit und spielten in einzigartigen Aufnahmesitzungen am 28. und 29. Juni 2008 fünfzehn Titel für die Kreissparkasse Köln ein. Dabei wurde in der Kulturhalle Dormagen nach dem gleichen Prinzip verfahren: keine elektronische Verstärkung, keine Kompressoren, kein künstlicher Hall – einzig allein der natürliche Klang der Instrumente, der sich in der Akustik des Saales entfaltet. Mitglieder des Kölner Hänneschen-Ensembles mit ihrem Intendanten Heribert Malchers lassen die Ostermannschen Typen gesanglich an uns vorüberziehen. „Hohe Klassik“ verbindet sich so mit „kölscher Volkstümlichkeit“


Historische Aufführungspraxis

Um ein geflügeltes Wort zu benutzen: In der klassischen Musik spricht man von „historischer Aufführungspraxis“. Es besagt nichts anderes, als dass nun endlich auch die Musik von Willi Ostermann wieder so zu erleben ist, wie sie einst geschrieben wurde. Vergleichbar etwa einem schönen Bild, dass im Laufe der Jahrzehnte immer wieder übermalt wurde, von dem man mühselig die verschieden Farbschichten herunterkratzen musste und das nun wieder in altem Glanz erstrahlt.

Bezieht sich auf die Musik auf der CD 3 - das Salonorchetser der "Jungen Philharmonie Köln" spielte die Original-Arrangements aus den 30er Jahren. Mitglieder des Hänneschen-Ensembles wirkten als Interpreten mit.

Dr. Jens Uwe Völlmecke

geboren 1966 in Wuppertal. Studium der Germanistik, Anglistik und Volkswissenschaft an der Universität zu Köln. Dissertation über die Berliner Jahresrevuen im Metropol-Theater in den Jahren 1903 bis 1913.
Seit 1986 freier Mitarbeiter als Autor und Moderator des Westdeutschen Rundfunks, seit 1997 parallel dazu beim MDR (MDR Kultur & MDR Figaro). Regelmäßige Rundfunksendungen zum Thema Unterhaltungskultur, Film- und Operettengeschichte der 20er bis 50er Jahre mit zahlreichen Veröffentlichungen zu diesem Thema. Programmgestalter und Dramaturg bei zahlreichen Konzertprojekten des WDR Rundfunkorchesters Köln.
Produzent und Mitarbeiter bei zahlreichen CD-Veröffentlichungen, so auch bei dieser CD und anderen Projekten für die Serie "Kölsche Evergreens" der Kreissparkasse Köln. Die vorstehenden Beiträge stammen aus seiner Feder: